Vortrag zum Antikriegstag im Antikriegshaus Sievershausen

Annähernd 50 Jahre ist es her, dass Martin Luther King das geteilte Berlin besuchte, beide Teile, den Osten unangemeldet und mit deutlicher Kritik an der Politik der DDR. Damals stand er auf dem Höhepunkt seiner internationalen Popularität; in seinem Beisein hatte der amerikanische Präsident den Civil Rights Act unterschrieben, die Ehrung mit dem Friedensnobelpreis stand kurz bevor. Aber es war nicht unbedingt diese Phase, die Heinrich Grosse an diesem Abend zur Diskussion stellte. Vielmehr ging es ihm den Martin Luther King, der sich unversöhnt mit der gesellschaftlichen Realität in den USA (und darüber hinaus) zeigte. King hat deutlich gemacht, wie eng Armut, Rassendiskriminierung und Ausbeutung im Entwurf des Kapitalismus miteinander verwoben sind.
Eine Ansicht, die in der amerikanischen Gesellschaft natürlich nicht Mehrheitsmeinung sein konnte, obgleich King erkannt hatte: „Rassismus ist kein rein amerikanisches Phänomen. Sein tückischer Griff kennt keine geographischen Grenzen.“ Gleiches galt für Armut, Unterdrückung und Krieg. In seinen Reden stellte er immer wieder einen Zusammenhang zwischen dem Freiheitskampf der Afro-AmerikanerInnen und den Befreiungsbewegungen der Armen in Afrika und Asien her. Die Notwendigkeit, diese grundlegenden Missstände zum Ziel direkter gewaltfreier Aktion zu machen, wurde King bewusst, als er nach einem Jahrzehnt Bürgerrechtsbewegung 1965 feststellen musste, dass sich die Situation der Afro-AmerikanerInnen in den Ghettos verschlechterte, anstatt sich zum Besseren zu wenden. Er sah den Zusammenhang zwischen Rassismus und dem wirtschaftlichen System des Kapitalismus und folgerte: „Wir müssen erkennen, dass die Probleme rassischer ebenso wie die wirtschaftlicher Gerechtigkeit nicht gelöst werden können ohne eine radikale Umverteilung politischer und ökonomischer Macht.“ Für ihn musste es in den Gesellschaften der westlichen Industrienationen geben, die auch nach heutigen Maßstäben eine Aufforderung zum Handeln darstellt: „Wir müssen schnell damit anfangen, von einer sach-orientierten Gesellschaft zu einer person-orientierten Gesellschaft zu kommen. Wenn Maschinen und Computer, Profitbestrebungen und Eigentumsrechte für wichtiger gehalten werden als Menschen, wird das gigantische Trio von Rassenwahn, Materialismus und Militarismus nicht mehr besiegt werden können.“
Sein konsequentes Eintreten für Gewaltfreiheit ließ ihn auch zum Gegner des Vietnamkrieges werden, nachdem er, wie viele andere Afro-AmerikanerInnen auch, lange eine zurückhaltende Meinung vertreten hatte, um die Unterstützung der liberalen Weißen für die Bürgerrechtsbewegung nicht auf's Spiel zu setzen. Tatsächlich trug ihm seine Deutlichkeit den Hass der weißen Mittelschicht ein und trug wohl maßgeblich zu seiner späteren Ermordung bei. Zugleich geriet er mit seiner kompromisslosen Haltung zur Gewaltfrage unter Druck aus dem eigenen Lager, denn andere Führern der „schwarzen“ Bürgerrechtsbewegung tendierten bei der Auseinandersetzung mit der Staatsmacht mehr und mehr zu gewalttätigen Optionen.

 

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der 
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