Herta Däubler-Gmelin im Antikriegshaus

 

Herta Däubler-Gmelin im Antikriegshaus

Mit Herta Däubler-Gmelin kommt am 4. November um 16.00 Uhr eine Persönlichkeit nach Sievershausen, die man wohl landläufig als ‚Politisches Urgestein‘ bezeichnen würde. Als die Juristin im Jahr 2009 dem deutschen Bundestag Lebewohl sagte und sich nicht um eine Wiederwahl bewarb, konnte sie auf eine 37-jährige Mitgliedschaft in diesem Gremium zurückblicken, begleitet vom Vorsitz in diversen Ausschüssen des Bundestages und dem Amt als Bundesjustizministerin im ersten Kabinett Schröder von 1998 bis 2002.

Ob die Menschenrechte der vielzitierte Grundpfeiler in der internationalen Politik oder lediglich ein Lippenbekenntnis sind, wollen wir mit der ehemaligen Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag in der Reihe ‚Zukunftsfragen - Perspektiven für eine nachhaltige Politik‘ ergründen.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint der Status und Inhalt der Menschenrechte umstrittener denn je. Einerseits weisen Regierungen in aller Welt mit Verweis auf kulturelle Unterschiede westliche Menschenrechtsvorstellungen zurück. Andererseits stellen auch westliche Regierungen Menschenrechtsansprüche in den internationalen Beziehungen mit Verweis auf realpolitische Zwänge oder ökonomische Interessen immer wieder zurück. Beklagt wird zudem eine Instrumentalisierung der Menschenrechte in Konflikten, in denen andere Interessen lediglich verschleiert werden sollten.

Ob im Verhältnis zu Russland oder China, ob in Konflikten wie in Libyen oder Syrien - die deutsche wie die europäische Politik tut sich schwer, eine glaubwürdige Position zu den Menschenrechten zu beziehen.

Welche Rolle können und sollen Menschenrechte in der Außenpolitik spielen? Welche Bedeutung kommt den Menschenrechten in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zu? Wie sind wirtschaftliche Interessen gegenüber den Menschenrechten zu gewichten? Und wie könnten Menschenrechte effektiv vertreten und umgesetzt werden?

 

 

Die Entscheidung über die Vergabe der Sievershäuser Ermutigung 2012  ist gefallen. In diesem Jahr teilen sich zwei Einrichtungen unseren Friedenspreis. Die Ehrung selbst wird am Sonntag, den 9. Dezember 2012 – in zeitlicher Nähe zum Tag der Menschenrechte – um 16:00 Uhr in einer Feierstunde begangen.

Basisgemeinschaft Brot & Rosen, Hamburg

 

Projekt DiaMiPa – Diakonisches Werk Stadtverband Hannover
Diakonische Migrationsarbeit für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus

 

Podiumsdiskussion mit Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Carmen Schaper, engagiert in der Flüchtlingsarbeit in Hannover (Kargah e.V.), Bernd Lange, SPD-Abgeordneter im Europa-Parlament

Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus sind ein häufig übersehener Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Schätzungen zufolge liegt ihre Anzahl allein in Deutschland bei mehreren Hunderttausend.

Mit drei ausgewiesenen Kennern der Materie möchten wir den Blick auf die Situation dieser Menschen, Hilfsangebote sowie die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa wenden.

Diese Menschen fliehen vor der Situation in ihren Heimatländern, vor Armut und Hunger, oftmals vor Krieg oder Verfolgung. Sie sind auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien. Doch Europa schottet sich mit einer restriktiven Asylpolitik und rigidem Grenzregime zunehmend ab.

Vor diesem Hintergrund tauchen diese Menschen unter und werden zu Unsichtbaren. Unsichtbar zu sein bedeutet in der Realität, weitgehend rechtlos zu sein. Es ist ein Leben am Rande der Existenz, im Versteck und auf der Flucht vor den Behörden, wehrlos gegenüber offenkundiger Ungerechtigkeit, z.B. bei überhöhten Mieten, viel zu niedrigen Löhnen oder sexuellen Übergriffen. Es ist ein Leben ohne Zukunft: Kinder können zumeist keine Kindergärten oder Schulen besuchen. Es ist ein Leben ohne gesicherten Zugang zu medizinischer Versorgung.

Diese Menschen werden missachtet und entrechtet, elementare menschenrechte werden ihnen vorenthalten. Sie sind nicht gewollt, sie sind Illegalisierte

Inzwischen gibt es verschiedene Netzwerke, die den Menschen ohne Papiere Hilfe anbieten, Ärzte, die ohne Krankenschein behandeln, Schulen und Kindergärten, die Kinder ohne Papiere aufnehmen und sie nicht dem Ausländeramt melden, Kirchengemeinden, die zeitweise Asyl bieten. Vieles bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone – und der Staat schaut zu, duckt sich weg anstatt sich um einen angemessenen Umgang mit den Menschen ohne Papiere zu bemühen.

Bericht über die Veranstaltung im Antikriegshaus Sievershausen am 5.10.

"Es ist auch unsere Menschenwürde, die darunter leidet, wenn anderen Menschen wie z.B. Flüchtlingen ohne Aufenthaltserlaubnis kein menschenwürdiges Leben zugestanden wird." So Fanny Dethloff (3.v.l.), Menschenrechtsbeauftragte der Nordkirche, die an diesem Abend zusammen mit der Flüchtlingsberaterin Carmen Schaper (l.) und Bernd Lange (2. v.l.), Europa-Abgeordnetem der SPD, dem Publikum im Antikriegshaus Sievershausen Informationen zur Lage von Menschen ohne Papiere bot und unter der Leitung vom Vorstandsmitglied des Antikriegshauses Berndt Waltje (r.) darüber diskutierte, wie diese Lage zu verbessern ist.

Es sind Millionen von MigrantInnen, die ihre Heimat aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen verlassen und in Europa ihr Glück oder auch nur ihr Auskommen suchen. Auch wenn sie in den Zielländern häufig nicht gewollt sind und ihr Aufenthalt illegalisiert wird, versuchen sie hier zu bleiben und trotz Rechtlosigkeit und prekärer Lebenssituation zu überleben und dabei noch ihre Familien in den Heimatländern zu unterstützen.

Carmen Schaper konnte aus ihrer täglichen Arbeit beim interkulturellen Verein Kargah in Hannover, wo sie Ansprechpartnerin für irreguläre MigrantInnen ist, von den Ängsten und der Rechtlosigkeit dieser Menschen berichten, angefangen von der Wohnungssuche über Arbeitsausbeutung bis zur schwierigen medizinischen Versorgung. Im europäischen Vergleich haben es Menschen ohne Papiere in Deutschland besonders schwer, weil es hier im Gegensatz zu anderen Ländern eine Meldepflicht gibt und fehlende Papiere bei Wohnungssuche, Schulbesuch oder Krankenhausaufenthalt ein fast unüberwindbares Hindernis darstellen. Andere europäische Länder, so Bernd Lange, haben auch im Gegensatz zu Deutschland Irreguläre immer mal wieder legalisiert, also eingebürgert, während Deutschland viel eher restriktiv vorgeht, wobei sich besonders Niedersachsen hervortut. Deshalb ist auch eine Forderung, Menschen, die längere Zeit im Land gelebt und gearbeitet haben, die Einbürgerung zu ermöglichen. Aber der Staat muss auch dafür sorgen, dass Menschen trotz fehlendem Aufenthaltsstatus ihre Rechte auf medizinische Versorgung und gleichen Arbeitslohn, auf Bildung und soziale Teilhabe ohne Angst vor Abschiebung in Anspruch nehmen können. Weil der Staat diese Menschenrechte nicht gewährleistet, stellen sich zivile Organisationen und Einzelpersonen in den Dienst der irregulären MigrantInnen und versuchen, ihre Not zu lindern und ihnen ein Stück weit zu ihren Menschenrechten zu verhelfen. Denn kein Mensch ist illegal und die Würde des Menschen ist unantastbar.

 

 

Vortrag von Ralf Buchterkirchen

Der hannoversche Autor Ralf Buchterkirchen hat unter dem Titel „… und wenn sie mich an die Wand stellen“ ein Buch über Desertion, Wehrkraftzersetzung und „Kriegsverrat“ von Soldaten in und aus Hannover in den Jahren 1933 bis 1945 geschrieben. Ralf Buchterkirchen ist seit vielen Jahren in der Friedensbewegung sowie queer-feministischen Initiativen aktiv. Die Idee zum Buch entstand aus dem Wunsch heraus, die von dem hannoverschen Friedensaktivisten  Klaus Falk in jahrelanger Kleinarbeit gesammelten Informationen zu Kriegs- und Gehorsamsverweigerern in Hannover zu ordnen und einer allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Zum Einen soll damit an eine gern vergessene und auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges lange nicht rehabilitierte Opfergruppe nicht nur aus regionalhistorischer Sicht erinnert werden, andererseits soll mit diesem Buch die Debatte um ein Deserteurdenkmal in Hannover Aufschwung bekommen. Als Ausgangspunkt zum Verständnis der individuellen Beweggründe für Desertion, Wehrkraftzersetzung oder „Kriegsverrat“ wurde gezielt der Umgang mit „heroischen Männlichkeitsbildern“ beschritten. Männlichkeit wurde im NS – im Vergleich zur preußischen Tradition – weiter erhöht und Bestrafung der Deserteure hieß im NS-Staat auch symbolische Entmännlichung.“ In diesem Sinne verspricht dieser Zugang neue Sichtweisen und verbinden sich hier meine friedens- und gesellschaftspolitischen Interessen“, formuliert Ralf Buchterkirchen.

Enthalten sind in „.. und wenn sie mich an die Wand stellen…“ unter anderen die Geschichten von Hubert Breitschaft und Robert Gauweiler. Breitschaft, Lehrer aus Bayern, kostete die spontane Reaktion auf das misslungene Hitler -Attentat vom 20. Juli 1944 „Schade, dass es ihn nicht erwischt hat!“ das Leben. Er wurde zum Tode verurteilt und in Hannover hingerichtet. Der Hannoveraner Robert Gauweiler hatte im Kameradenkreis die Befürchtung geäußert: „Diesen Krieg verlieren wir.“ Dafür ihn die Wehrmachtsjustiz in Dänemark zum Tode.

Für diese und andere Opfer der NS-Militärjustiz hat das Antikriegshaus vor fünfzehn Jahren das Deserteurdenkmal in Sievershausen errichtet. Dort wird die Veranstaltung am 31. August um 19.30 Uhr beginnen.

 

 

Frieden lernen
und erleben

 

 Der Friedensort
Antikriegshaus Sievershausen 
ist ein anerkannter Friedensort
der 
Evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannovers