Erklärung zur Nichteinladung der konsularischen Vertretungen
der Russischen Föderation
und der Republik Belarus zur Gedenkveranstaltung anlässlich
des 77. Jahrestags der Befreiung des Stalag X B Sandbostel
Am 24. Februar 2022 hat die russische Armee auf Anordnung des Präsidenten Wladimir Putin begonnen, die souveräne Ukraine anzugreifen. Seit einigen Tagen wird die russische Invasion massiv ausgeweitet und die Angriffe richten sich zunehmend auch gegen zivile Ziele in den Städten. Die Stiftung Lager Sandbostel verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine zutiefst. Unser Mitgefühl gilt zuvorderst den betroffenen Menschen in der Ukraine. Wir solidarisieren uns mit allen, die in Russland und auf der ganzen Welt ihre Stimme gegen diesen Krieg erheben. Wir fordern die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen.
Der russische Präsident Wladimir Putin begründet den Krieg gegen die Ukraine mit abstrusen historischen Vergleichen und dem Ziel einer vermeintlichen Entnazifizierung der Ukraine. Es betrübt uns zutiefst, dass in diesem alleinig von Russland zu verantwortendem Krieg, die Nachfahren von Menschen gegeneinander kämpfen, die 77 Jahre zuvor gemeinsam in einer großen Anti-Hitler-Koalition gegen den deutschen Nationalsozialismus gekämpft haben und ihn besiegt haben. Im Kriegsgefangenenlager Stalag X B Sandbostel waren in Folge des beispiellosen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion über 70.000 Soldaten der Roten Armee gefangen – aus Russland, Belarus, der Ukraine und vielen anderen Teilrepubliken der Sowjetunion. Tausende von ihnen sind im Stammlager Sandbostel und den Arbeitskommandos an Unterernährung, Krankheiten, Mangelversorgung und direkter Gewalt der Wachmannschaften gestorben. Sie alle ruhen gemeinsam in Massengräbern auf dem Lagerfriedhof in Sandbostel und jedes Jahr am 29. April, dem Jahrestag der Befreiung, gedenken wir ihrer, unterschiedslos der nationalen Zugehörigkeit.
Doch in diesem Jahr ist die Situation eine andere, in diesem Jahr wird das Gedenken ein anderes sein: Es ist für uns nicht vorstellbar, dass wir gemeinsam mit offiziellen Repräsentanten der Russischen Föderation (und des Russland unterstützenden Belarus) der toten sowjetischen Kriegsgefangenen, auch aus der Ukraine, gedenken, während zeitgleich russische Einheiten ukrainische Soldaten und vor allem auch Zivilisten durch Bomben und Raketen töten.
Daher haben wir uns schweren Herzens entschieden, die konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation und der Republik Belarus in diesem Jahr explizit nicht zu unserer Gedenkveranstaltung am 29. April anlässlich des 77. Jahrestag der Befreiung der Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge im Stalag X B und dem Gedenken an die in Sandbostel verstorbenen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge einzuladen. Insbesondere mit dem Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg pflegen wir eigentlich seit vielen Jahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Dass wir diesen Schritt gehen müssen, betrübt uns sehr und wir betonen, dass es sich bei der Nichteinladung der konsularischen Vertretungen explizit um einen Ausschluss staatlicher Organe handelt und nicht der russischen Zivilbevölkerung oder russischstämmiger Menschen in Deutschland. Im Gegenteil: Sie alle sind eingeladen, mit uns gemeinsam am 29. April der verstorbenen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge aller Nationen zu gedenken. Wir bemühen uns zudem darum, ein*e Vertreter*in der russischen Zivilgesellschaft für ein Grußwort zu gewinnen. Am Vormittag des 29. April bieten wir einen russischsprachigen Rundgang zur Geschichte des Stalag X B Sandbostel an.
Wir hoffen, dass wir in der Zukunft unter veränderten Bedingungen wieder gemeinsam der Menschen gedenken können, die in Sandbostel gelitten haben und gestorben sind.
Sandbostel, den 2. März 2022
Günther Justen-Stahl,
Vorsitzender der Stiftung Lager Sandbostel
Andreas Ehresmann,
Geschäftsführer der Stiftung Lager Sandbostel und Leiter der Gedenkstätte
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Andreas Ehresmann
Geschäftsführer | Gedenkstättenleiter
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