Rundgang durch das alte Sievershausen
Wir beginnen mit unserem Rundgang auf dem Schulhof der alten Kirchschule, heute Haus der Vereine, Oelerser Straße 17. Die Schule wurde 1995, nach Einweihung des neuen Schulgebäudes an der Kantstraße, geschlossen. Seitdem wird das Gebäude durch die örtlichen Vereine genutzt.
Wenn wir den Schulhof in Richtung Haupteingang der Kirche verlassen, sehen wir gleich rechts auf dem Kirchengelände das Ehrenmal für die Toten der beiden Weltkriege.
Wir stehen vor der St. Martinskirche. Rechts auf dem Schornstein der Sakristei nisteten früher regelmäßig Störche. Sievershausen war als Archidiakonatskirche des Bistums Hildesheim jahrhundertelang kirchlicher Mittelpunkt der Region. Eine Superintendentur gab es von 1723 bis 1965. Bis 1972 war die Martinskirche Hauptkirche für die umliegenden Gemeinden. Auf einer Bronzetafel links neben dem Haupteingang ist dieses nachzulesen. Der Turm, der älteste Teil der Kirche, stammt vermutlich aus dem frühen 11. Jahrhundert. Die heutige Gestalt als klassizistische Saalkirche erhielt das Gotteshaus 1819 im Zuge einer Erweiterung, auch der Kanzelaltar stammt aus dieser Zeit. Der Turm erhielt erst 1871 seine heutige Spitze. Die älteste bildliche Darstellung der Kirche zeigt ein Gemälde der Schlacht bei Sievershausen (1553), das im Turmraum hängt und ca 50 Jahre danach entstanden ist.
Hinter der Kirche befindet sich das weit über die Grenzen Lehrtes hinaus bekannte Antikriegshaus, ein altes Fachwerkhaus, das 1979 im Ort abgetragen, neben der Martinskirche wieder aufgebaut und 1981 als Veranstaltungszentrum eröffnet wurde. Seit 1967 gibt es links davon die Antikriegswerkstatt, die Seminar- und Schlafräume bietet, die regelmäßig von vielen Jugendlichen aus aller Welt genutzt werden. Träger der Friedensarbeit ist der Verein „Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen e.V.“ Besucher gehen am besten durch das DankMal, links neben der Kirche, auf das Antikriegshaus zu. Das DankMal wurde 1989 zur Erinnerung an die Menschen, die während der NS-Zeit Verfolgten geholfen heben, errichtet. Im Antikriegshaus befindet sich auch der Ortsgeschichtliche Raum, wo das von Friedrich Schirmer aus Burgdorf gefertigte Zinnfigurenpanorama der Schlacht von Sievershausen zu besichtigen ist. Dort werden außerdem Dokumente zur Ortsgeschichte gesammelt und wechselnde Ausstellungen gezeigt. Auf dem Gelände stehen zwei weitere Denkmale: das Mauer-Mahnmal (1991), bestehend aus drei Teilen der Berliner Mauer, und das Deserteurdenkmal.
Wir gehen über das Kirchengelände an den zwei Denkmalen vorbei. Das Gebäude links ist das ehemalige Sekundariatspfarrgebäude Die zweite Pfarre wurde 1972 aufgehoben und das Gebäude 2009 von der Kirche verkauft.
Wir benutzen den Klaus-Rauterber-Weg, der links hinter der ehemaligen 2. Pfarre, hinter dem Antikriegshaus vorbei, in Richtung Friedhof führt. Wir sehen links des Weges das Pfarrhaus (früher die Primariatspfarre, die Superindententur) und den großen Pfarrgarten. Ein Stück weiter auf der rechten Seite sehen wir ein Mahnmal aus vielen kleinen Feldsteinen von Kindern zusammengetragen, die an die vielen unbekannten Toten der Schlacht erinnern sollen., daneben die „Hellebarden zu Rosenstöcken“, beides von der damaligen Landesbischöfin Käßmann 2003 eingeweiht.
Wir gehen weiter geradeaus auf den Friedhof zu. Dort befindet sich das Moritzdenkmal, das 1853, 300 Jahre nach der Schlacht bei Sievershausen, an der Stelle errichtet wurde, wo der sächsische Herzog und Kurfürst Moritz von Sachsen vermutlich seine tödliche Verwundung erhielt. Am 9. Juli 1553 trafen zwischen Sievershausen und Arpke die Heerscharen des Kurfürsten Moritz von Sachsen, des Herzogs Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel und die des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach aufeinander. Kurfürst Moritz siegte, starb aber zwei Tage nach der Schlacht. Die Auseinandersetzung, die 4000 Tote forderte, war zwei Jahre vor dem Augsburger Religionsfrieden (1555) die bedeutendste Schlacht im 16. Jahrhundert.
Wir verlassen den Friedhof und gehen rechts den Moritzweg entlang bis zur Oelerser Straße. An der Kreuzung sehen wir links am Ende des Moritzweges ein Bauerngehöft, das ehemalige Pfarrwitwenhaus der Kirchengemeinde. Blicken wir geradeaus über die Kreuzung sehen wir in die Meisterstraße, früher eine wichtige Straße im Dorf, in der einmal alles vertreten war, was für Handel und Handwerk im Ort von Bedeutung war. Heute führt die Oelerser Straße rechts zur Autobahn und nach Hämelerwald. Doch vor dem Autobahnbau in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts fuhr man über die Meisterstraße und dann über die Hämelerwalder Straße in den Nachbarort.
Wir biegen nach links in die Oelerser Straße ein, kommen an der ehemaligen Gaststätte zu Eiche vorbei, vor über 100 Jahren ein Gasthof mit Ausspann. An der Oelerser Straße liegen einige alte Hofstellen, deren Besitzer sich bis ins 16. Jhd. zurückverfolgen lassen.
Wir gehen in Richtung Ortsausgang über die Kreuzung bis zum Dammbusch. An dem Haus Oelerser Straße 21 lesen wir im Fachwerkbalken die Jahreszahl 1829. Auf diesem Grundstück ist am 31.5.1829 ein Feuer ausgebrochen, der große Brand von Sievershausen, bei dem fast ein Drittel aller Hausstellen in Sievershausen in Flammen aufging. Wir achten im Dammbusch auf die Jahreszahl 1829 an den Fachwerkbalken.
Wir folgen der Biegung des Dammbuschs (links liegt die Kläranlage des Ortes) bis zur Kreuzung Brinkstraße/Kirchlahe/Trift. Auf der Ecke zwischen Dammbusch und Kirchlahe lag früher einer der Drescheplätze des Ortes. An der Kreuzung liegt auch das alte Feuerwehrhaus mit seinem Schlauchturm, das z.Z. von der Brummerbühne, der bekannten Laienspielgruppe des Ortes, genutzt wird. Das heutige Feuerwehrgerätehaus liegt im Schmiedeweg und wurde 1977 fertiggestellt.
Wir biegen rechts in die Brinkstraße ein. An der linken Straßenseite liegt die ehemalige Gaststätte Herrmann. Dahinter, rechtwinklig angeordnet, sehen wir fünf kleine Häuser, die ehemaligen Hirtenhäuser der Gemeinde. Wo heute der Ziehbrunnen zu sehen ist, hatte früher die Feuerwehr einen Löschbrunnen. Noch früher war an dieser Stelle ein kleiner Tümpel, eine Viehtränke. Am Ende der Brinkstraße kommen wir wieder zu Oelerser Straße und an den Ausgangspunkt unseres Rundganges zurück.
Blut an den Gräsern ....
Dr. Christoph Emmelius über die Schlacht von Sievershausen im Spiegel des Glaubens an wundersame Vorzeichen
Nachdem sich Christoph Emmelius, maßgeblich unterstützt von Friederike Emmelius, im September der „Schlachtung für Sievershausen, gehalten den 9. Juli 1553“ mit der Frage „Eine Schlacht für den Frieden?“ genähert hatte, wird er das für die Ortschaft prägende Ereignis dieses Mal, im Anschluss an die turnusmäßige Nagelkreuzandacht, von einer ganz anderen Seite beleuchten. In der Literatur jener Zeit finden sich diverse Texte, die im Nachhinein das Unheil des 9. Juli 1553 kommen sahen.
Nicht nur die ‚reine‘ Wissenschaft bietet Stoff für die Beschäftigung mit der „Schlachtung für Sievershausen“, wie das bekannte Schlachtgemälde in der St. Martinskirche zu Sievershausen überschrieben ist. Dr. Christoph Emmelius hat in den „Wunderzeichen-Büchern“ von Finkel und Goldwurm aus den Jahren 1556 - 57 eine große Anzahl an so genannten Vorzeichen gefunden, die bereits im Vorfeld auf das Grauen der Schlacht hingewiesen haben sollen. In der Form eines ‚Geschichts-Abendschoppens‘, begleitet von Vorträgen mittelalterlicher Musik und einem herzhaften Stück Gebäck und einem gut gefülltemm Glas, wollen wir uns dem Thema von einer anderen Seite nähern.
Informationen zum Arbeitskreis Ortsgeschichte
Das Projekt „Ferien vom Krieg – Dialoge über Grenzen hinweg“, das schon seit vielen Jahren im Rahmen des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. organisiert wird, erhält die ursprünglich 2020/21 ausgeschriebene Sievershäuser Ermutigung für engagierte und friedensfördernde internationale Jugend- und Begegnungsarbeit. Dieses Projekt hat 1994 während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien begonnen, serbische, kroatische und bosnische Kinder zu gemeinsamen Ferienwochen am Meer einzuladen, und so dazu beigetragen, in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien Versöhnungsprozesse in Gang zu setzen. Seit 2004 treffen sich junge Leute aus den drei Ländern zu gemeinsamen Friedenscamps und Aktivitäten. Mittlerweile ist daraus das Netzwerk „Youth United in Peace“ hervorgegangen, das länderübergreifend arbeitet und in dem jungen Menschen die Verständigung untereinander suchen.
Seit 2002 wurde das Projekt auf Israel/Palästina ausgeweitet. Hier organisiert „Ferien vom Krieg“ Workshops in Drittländern, wo sich Teilnehmende aus Israel und Palästina in einem neutralen geschützten Raum auf Augenhöhe begegnen können. Schon mehr als 2300 Teilnehmer*innen haben sich seitdem in Deutschland getroffen, um einen intensiven Dialog über die eigene und kollektive Geschichte in den beiden Gruppen zu führen und gemeinsam die aktuelle politische Situation zu beleuchten.
Youth United in Peace in Sombor (ehem. Jugoslawien)
Dialogseminar für Frauen aus Israel und Palästina
„Frieden ist eben nicht nur die Abwesenheit von Gewalt und Krieg,“ schreibt das Jury-Mitglied Dr. Maria Flachsbarth in der Begründung für die Entscheidung der Jury, „sondern vielmehr ein friedvolles Miteinander, das gegenseitiges Verständnis voraussetzt.“ Neben der Beseitigung von Konfliktursachen und Wiederaufbau müssten langfristige Versöhnungsprozesse initiiert werden, so Flachsbarth. „Häufig sind tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen notwendig, um Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft zu schaffen. Genau an dieser Stelle setzt das ausgezeichnete Projekt an, indem es bei jungen Menschen gesellschaftliche Mauern aufbricht.“
So leiste das Projekt „Ferien vom Krieg“ sehr praktische und wirksame Verständigungs – und Friedensarbeit, die dazu beitragen könne, Konflikte nachhaltig zu bearbeiten und so ein erneutes Ausbrechen zu verhindern.
Die Jury, der neben der langjährigen Staatssektretärin Dr. Maria Flachsbarth die Kreisjugendwartin des Kirchenkreises Burgdorf Ann-Marie Reimann, die frühere Bundestagsabgeordnete Dr. Ute Finckh-Krämer, die Bildungsreferentin bei der Ev. Jugend Sarah Vogel und, als Vertreterin des Antikriegshauses, Hannelore Köhler angehörten, war beeindruckt und erfreut über die Bewerbungen aus dem Bereich Internationale Begegnungsarbeit, die allesamt eine hohe Qualität und großes Engagement zeigten. „Es ermutigt auch uns selbst, durch die Ausschreibung des Preises mitzubekommen, wie viel hervorragende Arbeit mit jungen Leuten landauf landab geschieht, durch so viele engagierte Menschen!“, so Hannelore Köhler vom Antikriegshaus. Es sei nicht leicht gefallen, eine Entscheidung zu treffen. Gleichwohl wurde sich die Jury darin einig, „Ferien vom Krieg“ auszuzeichnen.
Der von der Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen gemeinsam mit der Stiftung Frieden ist ein Menschenrecht ausgeschriebene, mit 5000 Euro dotierte Friedenspreis wird im Rahmen einer Feierstunde am Sonntag, 12. Juni 2022, 16.00 Uhr im Antikriegshaus den Vertreter*innen von „Ferien vom Krieg“ überreicht.