Am Samstag, 10. Dezember um 16 Uhr findet der Festakt zur Verleihung der diesjährigen Sievershäuser Ermutigung an AMICA e.V. für die Hilfe für traumatisierte Menschen in Kriegsgebieten statt. Die Festrede hält Lutz Ulrich Besser (Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen)
Sievershäuser Ermutigung 2016
Hilfe für durch Krieg und Flucht traumatisierte Menschen
Seit 1988 schreibt die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit im zweijährigen Rhythmus den mit 5.000 € dotierten Friedenspreis Sievershäuser Ermutigung aus. In diesem Jahr wendet sich der Aufruf zur Bewerbung an Personen und Projekte, die Menschen helfen, die durch Krieg und Flucht traumatisiert sind.
Kriege, Umweltzerstörung und die dadurch bedingte Zunahme von Flüchtlingszahlen weltweit beherrschen heute vielfach die Berichterstattung unserer Medien. Der Tenor liegt dabei auf den aktuellen (und möglichst sensationellen) Ereignissen, weniger auf dem menschlichen Leid, das damit verbunden ist. Fast gänzlich ausgeblendet bleiben die psychischen Schäden, die in der Folge von Krieg und Katastrophen für viele Beteiligte auftreten: Ängste, Depressionen, psychosomatische Beschwerden. Traumata sind inzwischen keine Ausnahmeerscheinungen mehr, sondern Alltag in einer immer unsicherer werdenden Welt. Flüchtlinge haben darunter zu leiden, gerade solche, die unter lebensgefährlichen Umständen fliehen müssen, Menschen, die mit Kriegen konfrontiert sind, darunter durchaus auch die aktiven Soldaten. Die Opfer von Vergewaltigungen können lebenslang darunter leiden und betroffene Kinder merken oft erst im Erwachsenenalter, dass sie an der Vergangenheit krank geworden sind.
Oftmals werden die betroffenen Menschen damit alleingelassen oder auf private Hilfsorganisationen verwiesen. Staatliche Fürsorge findet kaum statt, stattdessen soll private Hilfe die Folgen lindern.
Auch wenn diese Entwicklung politisch zu kritisieren ist, sind diese Hilfen doch wichtig und notwendig. Wir können nicht die notwendige Hilfe für Menschen vernachlässigen, weil wir Forderungen an die Politik richten. Und es ist gut, dass inzwischen die Trauma-Erkrankungen thematisiert und behandelt werden. Deshalb soll die diesjährige Sievershäuser Ermutigung an Personen oder Organisationen gehen, die Menschen aus Konflikt-Regionen helfen, die psychischen Folgen dieser Konflikte zu verarbeiten. Damit soll diese wichtige Arbeit bekannter gemacht werden und Forderungen nach einer gezielten Förderung von Trauma-Arbeit für Kriegsopfer Nachdruck verliehen werden.
Wir suchen Projekte,
• die sich erfolgreich in der Trauma-Arbeit für Kriegsopfer und Flüchtlinge engagieren,
• deren beispielhaftes Gelingen eine Ermutigung für den gesamten Bereich der Trauma-Arbeit sein kann
und
• die möglichst auch die politische Debatte um die Notwendigkeit von Trauma-Behandlung für Kriegsopfer und Flüchtlinge vorantreiben.
Vorschläge, Empfehlungen und Bewerbungen können bis zum 30. April 2016 in schriftlicher Form oder per E-Mail an die Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit (Antikriegshaus) Sievershausen gerichtet werden. Diese sind formlos einzureichen, nähere Angaben zum Verein, Projekt oder zur Person sind aber hilfreich und willkommen.
Die Sievershäuser Ermutigung wird seit über 20 Jahren im zweijährigen Rhythmus für beispielhafte Friedens- und Menschenrechtsarbeit verliehen. Die Verleihung findet jeweils in zeitlicher Nähe zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember statt. Die Ausschreibung erfolgt zu wechselnden thematischen Schwerpunkten. Im Jahr 2014 wurde das forumZFD für seine Arbeit in der zivilen Konfliktbearbeitung ausgezeichnet. 2012 wurden mit Brot & Rosen und DiaMiPa zwei Initiativen ausgezeichnet, die sich der Arbeit mit illegalisierten Flüchtlingen in Deutschland verschrieben haben. 2010 wurde die Radiojournalistin María Isabel Gámez vom Sender Radio Victoria in El Salvador für ihre Berichte über Umweltverbrechen im Bergbau, soziale Missstände, Menschenrechtsverletzungen und Korruption ausgezeichnet und 2008 die Organisation MADAM aus Sierra Leone für ihre Arbeit zur Rehabilitation von ehemaligen Kindersoldaten geehrt. Die Ermutigung soll die Preisträger in ihrer Arbeit bestärken und unterstützen, aber auch darüber hinaus Mut machen, sich für die Ziele von Frieden und Menschenrechten zu engagieren, wie Rupert Neudeck in seiner Laudatio 2006 hervorhob.
Der Verein Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen e.V. besteht seit 1978 und betreibt in Sievershausen bei Hannover das Antikriegshaus als Veranstaltungs- und Ausstellungszentrum sowie die Antikriegswerkstatt als Seminarhaus mit Übernachtungsmöglichkeiten. Das Antikriegshaus steht an historischem Ort am Rande des Schlachtfeldes der 'Schlacht von Sievershausen', die als die opferreichste Schlacht der Reformationszeit (ca. 4000 Tote und 8000 Verletzte) gilt. Der Verein folgt einem umfassenden Verständnis von Friedensarbeit, das neben der Auseinandersetzung mit weltweiten Krisen und Konflikten auch Menschenrechtsthemen, ökologische Fragestellungen, Erinnerungsarbeit und Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktbearbeitung im Nahbereich umfasst. Im Jahr 2013 wurde das Antikriegshaus Sievershausen für die Verleihung des Stiftungspreises „Freiheit und Verantwortung“ der Hanns-Lilje-Stiftung nominiert.
Die Stiftung Frieden ist ein Menschenrecht wurde 2014 ins Leben gerufen, um die ehrenamtliche Arbeit des Antikriegshauses abzusichern. Zurzeit besteht die primäre Aufgabe darin, das Preisgeld für die Sievershäuser Ermutigung bereitzustellen. Sollten die finanziellen Möglichkeiten wachsen, werden auch friedenspädagogische Aufgaben unterstützt.
Aus der Dokumentationsstätte und der Stiftung heraus wird unter Einschluss von interessierten und kompetenten Personen eine Jury gebildet, die sich zu jeder Ausschreibung neu zusammensetzen kann und die gemeinsam über den oder die Preisträger entscheidet. Damit soll der Entscheidungsprozess transparenter gestaltet und die Außenwirkung erhöht werden.