Bericht im Anzeiger für Lehrte und Sehnde am Dienstag, 14. Juni 2022 Lehrte
Friedenspreis geht an Projekt „Ferien vom Krieg“
Antikriegshaus zeichnet Initiative zur Völkerverständigung aus / Kölner Projekt arbeitet mit Jugendlichen in Kriegsgebieten
Von Michael Schütz
Sievershäuser Ermutigung: Elvin Hülser (von links) und Henning Menzel zeichnen die Initiative „Ferien vom Krieg“ aus, vertreten durch Katharina Ochsendorf und Brigitte Klass. Foto: Michael Schütz
Sievershausen. Nach mittlerweile zwei Corona-Jahren und zahlreichen Absagen und Verschiebungen kann auch das Antikriegshaus in Sievershausen inzwischen wieder zu Veranstaltungen in Präsenz einladen. Damit war jetzt endlich der Weg frei für einen Termin, der eigentlich bereits für Dezember 2020 vorgesehen war – die Verleihung der Sievershäuser Ermutigung. „Wir haben lange warten müssen“, konstatierte Elvin Hülser, Geschäftsführer des Antikriegshauses. Zunächst sei der Dezember 2021 als Alternative angepeilt worden, konnte aber wegen der Pandemie auch nicht gehalten worden. Jetzt habe man sich entschlossen, den Sommer für die Auszeichnung zu nutzen.
Corona spielte am Sonntag bei der Verleihung allerdings trotzdem eine Rolle, denn die Vorsitzende des Trägervereins, Hannelore Köhler, hatte sich im Vorfeld infiziert und musste der Preisübergabe fernbleiben. Stattdessen übernahm Hülser die Moderation. Köhlers Stellvertreter Henning Menzel übergab den Preis an die Initiative „Ferien vom Krieg“.
Feindbilder abbauen
Dieses Projekt des Kölner Komitees für Grundrechte und Demokratie bringt seit 1994 junge Erwachsene aus Konfliktgebieten in Kontakt miteinander. Im Fokus stehen dabei die Länder des ehemaligen Jugoslawiens sowie der Nahostkonflikt. Damit sollen bestehende Feindbilder aufgebrochen und ein Dialog gefördert werden. Mit dem Kennenlernen angeblicher Feinde von Angesicht zu Angesicht soll Vorurteilen und Hass entgegengewirkt werden. Der Preis der Sievershäuser Ermutigung, den das Antikriegshaus gemeinsam mit der Stiftung „Frieden ist ein Menschenrecht“ verleiht, ist mit 5000 Euro dotiert.
Ausgewählt wurde das prämierte Projekt von einer fünfköpfigen Jury, zu der neben Köhler auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin, Maria Flachsbarth (CDU), gehörte. Sie hielt die Laudatio auf die preisgekrön te Initiative, deren Vertreterinnen Brigitte Klass und Katharina Ochsendorf nach Sievershausen gekommen waren.
„Wahrheit stirbt als Erstes“
Flachsbarth betonte, dass es in Kriegen immer die Wahrheit sei, die als Erstes getötet werde. Das sehe man auch beim Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Unzählige Menschen in Russland glaubten daran, dass die Ukraine angeblich von Nazis befreit werden und Russland einen Völkermord an russischstämmiger Bevölkerung verhindern müsse. „Das funktioniert dann, wenn die anderen anonym sind, wenn sie kein Gesicht haben.“
Im Fall des früheren Jugoslawiens und des Nahen Osten setze die Initiative „Ferien vom Krieg“ dieser Sichtweise ein „Dennoch des Friedens“ entgegen, lobte Flachsbarth. Dirk Jonas, stellvertretender Superintendent des Kirchenkreises Burgdorf, der die preisgebende Stiftung vertrat, hoffte, dass auch die Jugendlichen aus Russland und der Ukraine sich irgendwann treffen können, um Vorurteile abzubauen.
Bei einer Präsentation des Projektes betonten Klass und Ochsendorf, dass es vorrangig darum gehe, den Jugendlichen einen geschützten Raum für einen Dialog zu geben. Dieser solle ergebnisoffen sein. „Und unsere Arbeit ist der einfache Teil“, sagte Ochsendorf. Viel schwieriger sei es für die Jugendlichen selbst, die in den Herkunftsregionen bei ihrer Arbeit für das Projekt mitunter starken Anfeindungen ausgesetzt seien.
Neuer Termin für die Feierstunde ist Sonntag, der 12. Juni 2022 um 16 Uhr
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„Ferien vom Krieg – Dialoge über Grenzen hinweg“ erhält den Friedenspreis 2020/21
Foto: Dialogseminar für Frauen aus Israel und Palästina
Das Projekt „Ferien vom Krieg – Dialoge über Grenzen hinweg“, das schon seit vielen Jahren im Rahmen des Komitees für Grundrechte und Demokratie e.V. organisiert wird, erhält die ursprünglich 2020/21 ausgeschriebene Sievershäuser Ermutigung für engagierte und friedensfördernde internationale Jugend- und Begegnungsarbeit. Dieses Projekt hat 1994 während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien begonnen, serbische, kroatische und bosnische Kinder zu gemeinsamen Ferienwochen am Meer einzuladen, und so dazu beigetragen, in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien Versöhnungsprozesse in Gang zu setzen. Seit 2004 treffen sich junge Leute aus den drei Ländern zu gemeinsamen Friedenscamps und Aktivitäten. Mittlerweile ist daraus das Netzwerk „Youth United in Peace“ hervorgegangen, das länderübergreifend arbeitet und in dem jungen Menschen die Verständigung untereinander suchen.
Seit 2002 wurde das Projekt auf Israel/Palästina ausgeweitet. Hier organisiert „Ferien vom Krieg“ Workshops in Drittländern, wo sich Teilnehmende aus Israel und Palästina in einem neutralen geschützten Raum auf Augenhöhe begegnen können. Schon mehr als 2300 Teilnehmer*innen haben sich seitdem in Deutschland getroffen, um einen intensiven Dialog über die eigene und kollektive Geschichte in den beiden Gruppen zu führen und gemeinsam die aktuelle politische Situation zu beleuchten.
„Frieden ist eben nicht nur die Abwesenheit von Gewalt und Krieg,“ schreibt das Jury-Mitglied Dr. Maria Flachsbarth in der Begründung für die Entscheidung der Jury, „sondern vielmehr ein friedvolles Miteinander, das gegenseitiges Verständnis voraussetzt.“ Neben der Beseitigung von Konfliktursachen und Wiederaufbau müssten langfristige Versöhnungsprozesse initiiert werden, so Flachsbarth. „Häufig sind tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen notwendig, um Voraussetzungen für eine friedliche Zukunft zu schaffen. Genau an dieser Stelle setzt das ausgezeichnete Projekt an, indem es bei jungen Menschen gesellschaftliche Mauern aufbricht.“
So leiste das Projekt „Ferien vom Krieg“ sehr praktische und wirksame Verständigungs – und Friedensarbeit, die dazu beitragen könne, Konflikte nachhaltig zu bearbeiten und so ein erneutes Ausbrechen zu verhindern.
Die Jury, der neben der langjährigen Staatssektretärin Dr. Maria Flachsbarth die Kreisjugendwartin des Kirchenkreises Burgdorf Ann-Marie Reimann, die frühere Bundestagsabgeordnete Dr. Ute Finckh-Krämer, die Bildungsreferentin bei der Ev. Jugend Sarah Vogel und, als Vertreterin des Antikriegshauses, Hannelore Köhler angehörten, war beeindruckt und erfreut über die Bewerbungen aus dem Bereich Internationale Begegnungsarbeit, die allesamt eine hohe Qualität und großes Engagement zeigten. „Es ermutigt auch uns selbst, durch die Ausschreibung des Preises mitzubekommen, wie viel hervorragende Arbeit mit jungen Leuten landauf landab geschieht, durch so viele engagierte Menschen!“, so Hannelore Köhler vom Antikriegshaus. Es sei nicht leicht gefallen, eine Entscheidung zu treffen. Gleichwohl wurde sich die Jury darin einig, „Ferien vom Krieg“ auszuzeichnen.
Der von der Dokumentationsstätte zu Kriegsgeschehen und über Friedensarbeit Sievershausen gemeinsam mit der Stiftung Frieden ist ein Menschenrecht ausgeschriebene, mit 5000 Euro dotierte Friedenspreis wird im Rahmen einer Feierstunde am Sonntag, 12. Juni 2022, 16.00 Uhr im Antikriegshaus den Vertreter*innen von „Ferien vom Krieg“ überreicht.